"Die Leipziger lieben Fußball"
DFB-Präsident Wolfgang Niersbach beim LVZ-Leserforum / Besuch am Cottaweg und in Abtnaundorf
Von Guido Schäfer und Steffen Enigk
Leipzig. Steter Tropfen höhlt auch beim Deutschen Fußball-Bund den Stein. Im vorliegenden Fall bei DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. Gestern war Leipzig im Niersbach-Fieber. Gekrönt wurde der Besuch des Ehrengastes vom Leserforum in der LVZ-Veranstaltungskuppel.
Um 13.20 Uhr schwebten Niersbach und DFB-Sprecher Jens Grittner auf dem Flughafen in Schkeuditz ein, wurden von RB-Geschäftsführer Ulrich Wolter abgeholt. Die Herren kennen sich aus gemeinsamen Zeiten rund um die Organisation der WM 2006. Es folgte ein Besuch des RB-Trainingsgeländes am Cottaweg, anschließend brachte Niersbach Glanz in die Sportschule Abtnaundorf. Es gab Kaffee und Kuchen und ein Treffen mit Rainer Milkoreit (Boss des Nordostdeutschen Verbandes) sowie Sachsens Fußball-Chef Klaus Reichenbach.
Dann machte sich Niersbach im Steigenberger-Hotel fit für seinen Plausch mit Guido Schäfer. Als über den WM-Titel gesprochen wurde, kamen Erinnerungen an die heißen Spiele bei der "WM mit Guido" in der LVZ-Kuppel auf. "Mehr als Weltmeister geht nicht", sagte Niersbach und korrigierte sich mit Blick auf die EM 2016 selbst. "Welt- und Europameister - das wäre natürlich die Krönung."
Der Rheinländer und bekennende Karnevalist hat eine steile Karriere hinter sich. Sportjournalist, DFB-Pressesprecher, Organisationsgenie bei der WM 2006, DFB-Generalsekretär. Die Chancen auf ein intimes Date mit dem 64-Jährigen sind gering. Der Mann ist rund um die Uhr im Einsatz, besucht selten bis nie Redaktionen. Niersbachs zentrale Aufgabe ist, na klar, das Flaggschiff Nationalmannschaft. Er verhandelt die Verträge von Joachim Löw & Co., ist der Jugendarbeit verpflichtet und kandidiert für die Exekutive des Weltverbandes Fifa.
Gestern wuchs zusammen, was zusammen gehört: Der wichtigste Mann im deutschen Fußball und die wichtigste (ostdeutsche) Stadt. Niersbach war 1986 erstmals in Leipzig, fuhr mit Franz Beckenbauer zum DDR-Länderspiel gegen Dänemark. "Auf einem Autobahn-Parkplatz wurde Franz erkannt, da brach alles zusammen." Gern erinnert sich der DFB-Chef auch an die WM-Endrunden-Auslosung 2005 auf der Neuen Messe: "Da haben wir die ganze Welt nach Leipzig geholt. Wir kommen immer wieder gern, das nächste Mal im Oktober zum Länderspiel gegen Georgien."
Niersbach sieht das Engagement von Red Bull sehr positiv. "Natürlich kennen wir auch die Schwierigkeiten, Anfeindungen und Aversionen, aber es ist doch eine wunderbare Entwicklung, dass jetzt 25000 Leute zu den Heimspielen kommen. Die Leipziger lieben Fußball, und die Traditionsvereine hier haben es wegen vieler Konflikte nicht geschafft." Fasziniert ist der DFB-Chef auch vom Bau des RB-Trainingszentrums. "Großartig, so etwas Exzellentes muss man in Deutschland suchen."
Locker plaudernd gab Niersbach witzige Anekdoten zum besten. Wie Sepp Maier 1990 im WM-Vorbereitungscamp einen Hasen im Koffer von Masseur Adolf Katzenmeier versteckte und Andy Brehme eine Verletzung simulierte, doch das Tier hoppelte nicht mal weg. Dass Beckenbauer dann beim Viertelfinale gegen Tschechien (1:0) so sauer auf seine Kicker war, dass er einen italienischen Balljungen einwechseln wollte: "Du spielst genauso wie die da." Der Teamchef habe jähzornig Eiskoffer umgetreten, sich den Fuß verstaucht, Brehme angewiesen, "nicht mehr den Klinsmann anzuspielen" und seinen Torjäger rund gemacht: "Du bist der Klinsmann aus Geislingen, nicht der Pelé."
Niersbach war gestern überrascht, auch den neuen Lok-Sportgeschäftsführer Mario Basler in der LVZ-Kuppel zu sehen: "Das ist ja hier eine Nichtraucher-Veranstaltung. Hält er es so lange durch?" Früher als Pressechef sei er auch dafür zuständig gewesen, dass der "hoch begabte, tolle Nationalspieler" zwischen Training und Pressekonferenz "eine Fluffe durchziehen" konnte.
Niersbach begrüßte Basler ebenso herzlich wie andere Prominente auf der Gästeliste: Nachwuchs-Bundestrainer Frank Engel, RB-Coach Achim Beierlorzer oder Lok-Ikone Henning Frenzel. Niersbach erlebte 1976 als Journalist den DDR-Olympiasieg in Montreal mit, spricht mit viel Respekt von den Ost-Kickern. "Uns war es immer ein Anliegen, sie im Club der Nationalmannschaft gleichwertig zu behandeln."
Niersbach wirkt glaubwürdig, wenn er behauptet, sich als Chef des mit fast sieben Millionen Mitgliedern größten nationalen Sportverbandes der Welt nicht verändert zu haben: "Ich bin kein Machtmensch, ich versuche immer, ein Teamplayer zu sein und betrachte mich als Teil eines großen Teams." Gestern flogen ihm jedenfalls die Herzen zu: Applaus, Applaus. Und die Sympathien waren durchaus gegenseitig. Niersbach: "Es war ein rundum gelungener Tag in Leipzig." Auch das nimmt man ihm ab.
Ein Video vom Besuch Wolfgang Niersbachs sehen Sie bei
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